Therapien bei Wirbelbrüchen der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule
Wirbelbrüche (Wirbelfrakturen) werden in Abhängigkeit von der Frakturklassifikation, Lokalisation der Fraktur, aber auch sehr individuellen patientenspezifischen Gegebenheiten operativ oder konservativ therapiert. Durch modernste diagnostische Möglichkeiten sowohl im Kompetenzzentrum als auch in den Kooperationskliniken kann die Diagnose präzise gestellt werden. Bei der konservativen Therapie erhält der Patient ein entlastendes Korsett, welches meist mehrere Wochen und Monate getragen werden muss. Mittels Röntgenkontrollen wird die Heilung des Wirbelkörpers kontrolliert.
Operative Therapien
Minimal-invasive perkutane Behandlung (Kyphoplastie) bei Wirbelbrüchen
Die Kyphoplastie und Vertebroplastie sind Behandlungsmethoden, die vor allem bei osteoporotischen Brüchen von Wirbelkörpern, nach einem erfolglosen konservativen Therapieversuch, angewendet werden. Ziele sind die Schmerzlinderung und die Wiederaufrichtung der betroffenen Wirbelkörper. Die Kyphoplastie ist das etablierte und auch sichere Verfahren. Bei dieser Operation wird über eine kleine Inzision von ca. 2 mm Länge ein dünnes Röhrchen in den Wirbelkörper vorgeschoben. Über diesen Arbeitszugang richtet man vorsichtig durch die Expansion eines temporär eingebrachten Ballons den Wirbelkörper wieder auf. Der entstandene Hohlraum wird mit einem speziellen Knochenzement ausgefüllt, um eine Abstützung des Wirbelkörpers zu erreichen. Die Operation dauert ca. 45 Minuten. Nach dem Eingriff ist der Patient sehr schnell wieder mobil und kann bereits nach wenigen Tagen aus dem Krankenhaus entlassen werden. Eine Zementstabilisation ist in bestimmten Fällen auch in lokaler Betäubung durchführbar.
Beispiel
Minimal-invasive perkutane Behandlung (Kyphoplastie) bei Wirbelbrüchen
Patient/in: | 69 Jahre, weiblich Belastungsabhängiger Rückenschmerz, seit 3 Tagen immobilisiert |
Diagnose: | Osteoporotische LWK 1 Fraktur (Typ A 3.1) |
Präop. Röntgen: | LWK 2 Fraktur mit 14° Kyphosewinkel |
Postop. Röntgen: | Kyphoplastie LWK 1, gute Aufrichtung des Wirbelkörpers, 4° Kyphosewinkel |
Perkutane minimal-invasive computernavigierte Osteosynthese (Stabilisierung) bei Wirbelbrüchen
Besteht eine zunehmende Keilwirbelbildung, kann eine temporäre Unterstützung des Wirbelkörpers bis zur Heilung des Bruches notwendig sein. Ziel ist es, den frakturierten Wirbelkörper über einen Zug an den beiden angrenzenden Wirbeln nach oben bzw. nach unten wieder in seine ursprüngliche Form zu bringen (Repositionsmanöver), so dass er in dieser Position zur Ausheilung kommt. Während der Operation wird von hinten über kleine Inzisionen, unterstützt durch eine Computernavigation, ein innerer Fixateur (Stab-Schrauben-System) eingesetzt, der temporär den Wirbelkörper oberhalb und unterhalb des gebrochenen Wirbelkörpers verbindet. Die Kraft kann so umgeleitet werden und der gebrochene Wirbelkörper kann heilen. Nach ca. 6 Monaten wird der Fixateur wieder entfernt und die Bewegungssegmente werden wieder freigegeben.
Perkutane computernavigierte dorso-ventrale Stabilisierung bei Wirbelbrüchen
Komplexe Berstungsbrüche von Wirbelkörpern, vor allem nach Unfällen, können zu einer deutlichen dauerhaften Abweichung des natürlichen (biomechanisch ausgeglichenen) seitlichen und auch hinteren Profils der Wirbelsäule führen. Um dies zu vermeiden, kann eine Operation notwendig sein, die es ermöglicht sowohl das Profil wiederherzustellen, als auch die Wirbelsäule sowohl von hinten als auch vorne zu unterstützen. Vorerst wird von hinten über kleine Inzisionen per Computernavigation ein innerer Fixateur (Stab-Schrauben-System) eingesetzt, das bereits die Wiederaufrichtung erlaubt. Der fortgeschritten geborstene Wirbelkörper kann auch mit dem Fixateur nicht dauerhaft Lasten tragen und es wäre ein erneutes Zusammensinken mit Abweichung des Profils der Wirbelsäule zu befürchten. Daher wird über einen kleinen seitlichen Zugang der instabile Anteil des gebrochenen Wirbelkörpers durch einen Platzhalter (Wirbelkörperersatzimplantat) ersetzt, der fest mit den Nachbarwirbeln verwächst.
Operationen nach Frakturen der Wirbelsäule können mit minimal-invasiven Techniken gewebeschonend durchgeführt werden. Modernstes Instrumentarium, Computernavigation, intraoperative 3D Bildgebung oder die Verwendung eines OP Mikroskops, erlauben Verfahren anzuwenden, die Nachbargewebe schonen und nur kleine Operationszugänge erfordern.
Dorso-ventrale Spondylodese mit Myelondekompression (Rückenmarksentlastung) bei instabilen Brüchen mit Rückenmarksschädigung
Wirbelbrüche können nicht nur lokale (Rücken-) Schmerzen oder Achsabweichungen der Wirbelsäule hervorrufen. In manchen Fällen führen Knochenfragmente oder extreme Achsabweichungen zu einer Kompression von Nerven oder des Rückenmarks. Neben Teillähmungen oder Gefühlsstörungen können in seltenen Fällen auch Querschnittslähmungen auftreten. In diesen Fällen ist neben der oben beschriebenen Wiederaufrichtung und Stabilisierung der Wirbelsäule und des Wirbelkörpers auch eine Befreiung der Nerven bzw. des Rückenmarks notwendig. Wenn dies durch ein intraoperatives Repositionsmanöver nur inkomplett gelingt, können mikrochirurgische (Mikroskop assistierte Verfahren) zur Anwendung kommen, die eine schonende, sichere Entlastung der Nerven und des Rückenmarks gewährleisten.
Beispiel
Dorso-ventrale Spondylodese mit Myelondekompression (Rückenmarksentlastung) bei instabilen Brüchen mit Rückenmarksschädigung
Patient/in: | 69 Jahre, weiblich Korsettbehandlung seit 1 Jahr, zunehmende Gangunsicherheit |
Diagnose: | Osteoporotische TH 12 Fraktur mit Hinterkantenfragment, 24° Kyphose |
Präop. Röntgen (thorakal-lumbal): | TH 12 Fraktur, 24° Kyphosewinkel |
Sagittales MRT: | Nachweis Hinterkantenfragment mit Pelotierung des Rückenmarks |
Postop. Röntgen: | Vertebroplastie TH 11 und LWK 1, Wirbelkörperentfernung TH 12 mit Wirbelkörperersatz mit Harms™-cage und Spongiosaplastik, dorsale Spondylodese TH 10 - LWK 2 (System Expedium™, DePuy Spine™) |
Spezielle Eingriffe bei Verletzungen der oberen Halswirbelsäule (Densfraktur, Atlasfraktur)
Operationen an der oberen hinteren Halswirbelsäule sind aufgrund der anatomischen Besonderheiten von besonderer Brisanz und erfordern eine hohe operative Erfahrung. Dies kann bei Instabilitäten, Verletzungen (Unfällen) und auch anderen seltenen Pathologien der Fall sein.
Densfraktur
Bei der Densfraktur handelt es sich um einen Knochenbruch am Dens axis des zweiten Halswirbels. Die Fraktur des Dens ist die häufigste Fraktur der oberen Halswirbelsäule und tritt typischerweise bei einem Hyperextensionstrauma (z.B. starke Rückneige des Kopfes beim Sturz nach vorne) auf. Im KWHC werden solche Verletzungen sowohl konservativ als auch operativ versorgt.
Bei der konservativen Behandlung ist das mehrwöchige Tragen einer z.B. Aspenorthese, später Schanzkrawatte notwendig. Bei Fragmentdislokation (Auseinanderweichen der Frakturenden) oder neurologischer Beeinträchtigung ist eine Operation notwendig. Bei jüngeren Patienten wird die Fraktur über die vordere Halsseite mit 2 Doppelgewindeschrauben geschient und bis zur Ausheilung mit einer weichen Halskrause stabilisiert. Beim älteren Patienten muss eine aufwendige hintere Halswirbeloperation erfolgen (siehe Abschnitt: Atlasfraktur).
Atlasfraktur
Atlasfrakturen sind mit ein bis zwei Prozent aller Wirbelfrakturen selten. Bei der vorderen oder hinteren Bogenfraktur ist, ähnlich der Densfraktur, eine mehrwöchige konservative Behandlung mit einer z.B. Aspenorthese, später Schanzkrawatte möglich. Bei Fraktur des vorderen und hinteren Atlasbogens mit gleichzeitiger Verletzung des Lig. transversum resultieren Instabilitäten, welche zu schweren neurologischen Ausfällen führen können und eine Operationsindikation darstellen. Bei der Operation werden die Wirbel mit einem Fixateur verbunden und zur Ausheilung gebracht. Die Platzierung der Schrauben ist anatomisch über den sogenannten Pedikel oder die Massa lateralis (1. Halswirbel) notwendig. Diese komplexen kombinierten wirbelsäulenchirurgischen Eingriffe können in unseren Kooperationskliniken (Malteser Waldkrankenhaus Erlangen) computernavigiert durchgeführt werden.
Beispiel
Densfraktur
Patient/in: | 68 Jahre, weiblich PKW Unfall starke Nackenschmerzen |
Diagnose: | Densfraktur nach Alonso Typ 2, nicht disloziert |
Therapie: | Densverschraubung, 8 Wochen Halskrause |
Beispiel
Instabile Atlasfraktur
Patient/in: | 42 Jahre, männlich PKW Unfall, Überschlag Klinisch: Nackenschmerzen |
Diagnose: | B 3.2 Fraktur (traumatische Isthmusfraktur HWK 2, Densfraktur, Wirbelkörperfraktur) mit Subluxation gegen HWK 3 (Effendi Typ 2) |
Therapie: | Reposition und Stabilisierung von ventral mit Beckenspan und winkelstabiler Osteosyntheseplatte HWK 2/3, Nachbehandlung mit Philadelphiakragen 6 Wochen, 6 Wochen Schanzkragen |